Navigieren / suchen

Änderungen im Berufsbildungsgesetz: Was Sie jetzt beachten müssen

Das neue Berufsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz (BVaDiG) ist seit dem 01.08.2024 in Kraft. Es stellt die mobile Ausbildung und die Digitalisierung in der dualen Ausbildung in den Vordergrund, die berufliche Bildung wird weiter digitalisiert und entbürokratisiert. Außerdem können Personen ohne Berufsabschluss ihre im Arbeitsleben erworbenen Fähigkeiten anerkennen und Menschen mit Behinderungen ihre individuelle berufliche Handlungsfähigkeit feststellen und bescheinigen lassen. Das neue Gesetz führt auch zu Änderungen im Berufsbildungsgesetz (BBiG) – die wichtigsten Änderungen und was Sie beachten müssen, erfahren Sie hier.

©AREE – stock.adobe.com

Das Berufsvalidierungs- und -digitalisierungsgesetz (BVaDiG) ist Teil der Exzellenzinitiative Berufliche Bildung. Der Bundestag hat es am 24.06.2024 beschlossen, der Bundesrat hat dem Gesetz am 05.07.2024 zugestimmt und am 01.08. ist es in Kraft getreten. Die Maßnahmen sollen dem Fachkräftemangel entgegenwirken, für mehr Digitalisierung und weniger Bürokratie in der beruflichen Bildung sorgen.

Die duale Ausbildung wird digitaler und moderner

Grundlage eines jeden Ausbildungsverhältnisses ist der Ausbildungsvertrag. Künftig ermöglichen die Änderungen in § 11 Abs. 1 und 2 BBiG, dass der Arbeitgeber den Ausbildungsvertrag „in Textform“, also auch digitaler, abfassen und übermitteln kann – unter der Bedingung, dass er so übermittelt wird, dass er gespeichert und ausgedruckt werden kann. Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass die Auszubildenden den Ausbildungsvertrag erhalten haben, allerdings ist es auch verpflichtend, den Empfang des Ausbildungsvertrages zu bestätigen (§ 13 Nr. 8 BBiG).

In § 28 Abs. 2 BBiG ist nun festgelegt, dass Ausbildungsinhalte in einem angemessenen Umfang auch im Rahmen mobiler Ausbildung vermittelt werden können und Auszubildende beispielsweise von zuhause aus arbeiten dürfen.

©fizkes– stock.adobe.com

Damit Teile der Ausbildung mobil stattfinden dürfen, müssen laut Gesetz drei Bedingungen erfüllt werden:

  1. Um die Ausbildungsinhalte zu vermitteln, muss Informationstechnik eingesetzt werden.
  2. Die Ausbildungsinhalte, die während mobiler Ausbildung erlernt werden sollen, müssen für die Ausbildung auf Distanz geeignet sein. Ebenso müssen die Aufenthaltsorte von Auszubildenden und Ausbildern bzw. Ausbildungsbeauftragten während der mobilen Ausbildung geeignet sein.
  3. Die Ausbildungsinhalte dürfen qualitativ nicht schlechter vermittelt werden als vor Ort bei zeitgleicher Anwesenheit. D. h. Ausbilder oder Ausbildungsbeauftragte müssen zu den üblichen Zeiten erreichbar sein, um den Lernprozess zu steuern und auch die Lernfortschritte kontrollieren zu können.

Sollen Teile der Ausbildung mobil stattfinden, muss der Ausbildungsbetrieb den Auszubildenden auch die Hard- und Software (z. B. Laptops oder Tablets) kostenlos zur Verfügung stellen, die für die mobile Ausbildung benötigt werden (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 3 BBiG).


Veranstaltungs-Tipp:

“Effizient und erfolgreich: Vorteile von Homeoffice in der Ausbildung” ist eines der vielen Themen auf der wirAUSBILDER ONLINE-KONFERENZ am 26. und 27.11.2024.


Anrechnung von Pausen- und Wegezeiten

In § 15 BBiG wird klargestellt, dass die Pausen in der Berufsschule und die Wegezeit von der Berufsschule zum Betrieb ebenso wie der Berufsschulunterricht auf die Ausbildungszeit anzurechnen sind (§ 15 Abs. 2 Nr. 1 BBiG).

©fotomek – stock.adobe.com

Virtuelle Anwesenheit in Prüfungen

Prüfungsdelegierte bzw. Mitglieder von Prüfungsausschüssen dürfen sich nun zu Zwischen- und Abschlussprüfungen über Videokonferenz-Tools dazuschalten. Hierfür gilt eine Reihe von Bedingungen, siehe § 42a BBiG.

Auch der schriftliche Teil der Prüfung soll künftig digital z. B. in der Kammer oder Berufsschule erfolgen.

Ausbildungszeugnis und Abschlusszeugnis

Am Ende der Ausbildung werden i. d. R. drei Zeugnisse ausgestellt:

  • das Abschlusszeugnis der zuständigen Kammer,
  • das Ausbildungszeugnis des Arbeitgebers und
  • das Berufsschulzeugnis.

Das betriebliche Ausbildungszeugnis darf nun in elektronischer Form übermittelt werden – nach Zustimmung durch die Auszubildenden (§ 16 Abs. 1 BBiG).

Die einzelnen Bundesländer können jetzt regeln, dass die Berufsschulnote (Abschlussnote) verbindlich auf dem Abschlusszeugnis der Kammer ausgewiesen wird (§ 37 Abs. 3 BBiG).

Änderungen für die Teilzeitausbildung

Die Gesamtdauer einer Teilzeitausbildung verlängert sich der Reduzierung entsprechend, soll aber höchstens das Eineinhalbfache der regulären Ausbildungsdauer betragen. Durch die Anpassungen im BBiG kann die Ausbildungsdauer der Teilzeitausbildung jetzt einfacher verkürzt werden (§ 8 Abs. 1 BBiG). Wird die Regelausbildungsdauer durch Verkürzungen nach § 8 Abs. 3 BBiG um höchstens sechs Monate überschritten, kann die Ausbildungsdauer jetzt auf die reguläre Ausbildungsdauer verkürzt werden.

Beispiel: Laura hat einen Ausbildungsvertrag mit einer Regelausbildungsdauer von 36 Monaten. Weil Laura den mittleren Bildungsabschluss hat, kann sie die Ausbildungsdauer um sechs Monate auf 30 Monate reduzieren. Da Laura alleinerziehend ist, absolviert sie eine Teilzeitausbildung und hat auf 75 % der wöchentlichen Ausbildungszeit reduziert. Deshalb würde ihre Ausbildungsdauer auf insgesamt 40 Monate (30 Monate : 75 = 40 Monate) verlängert werden. Durch die Änderungen im BBiG kann Laura aber bereits nach der Regelausbildungsdauer von 36 Monaten die Ausbildung beenden, da die Verlängerung wegen Teilzeit sechs Monate nicht überschreitet.

Was ist das Feststellungsverfahren?

Mit dem Feststellungsverfahren bzw. Validierungsverfahren können Personen auf Antrag bei einer zuständigen Stelle ihre Kompetenzen bewerten und den Umfang ihrer beruflichen Handlungsfähigkeit am Maßstab eines dualen Ausbildungsberufs feststellen lassen. Voraussetzung ist

Sowohl an den Zugang zu diesem Feststellungsverfahren als auch an die eigentliche Überprüfung der beruflichen Handlungsfähigkeit der Antragstellenden werden hohe Anforderungen gestellt, um die Vergleichbarkeit der Feststellung mit einer regulären Abschlussprüfung zu sichern. Das Verfahren zur Feststellung der individuellen beruflichen Handlungsfähigkeit steht allen Personen offen, die die grundsätzlichen Zugangsvoraussetzungen erfüllen. Dies sind Personen, die

  1. mindestens 25 Jahre alt sind (Ausnahme: keine Altersgrenze bei Menschen mit Behinderungen),
  2. mit ihren Fähigkeiten zumindest den überwiegenden Teil des Berufsbildes abdecken,
  3. nicht über einen formalen Berufsabschluss im Referenzberuf verfügen,
  4. mindestens das Eineinhalbfache der für den Referenzberuf vorgeschriebenen Ausbildungsdauer in dem Beruf tätig waren, für den sie die Feststellung beantragen (Referenzberuf). In dieser Zeit muss ihre Tätigkeit das entsprechende Berufsbild nahezu vollständig abgedeckt haben, falls sie die vollständige Vergleichbarkeit anstreben.
  5. ihren Wohnsitz im Inland haben oder alternativ einen Teil der einschlägigen Tätigkeit im Inland ausgeübt haben.

Wenn die individuelle berufliche Handlungsfähigkeit vollständig vergleichbar ist mit derjenigen, die Absolvent:innen des Referenzberufs haben müssen, wird ein öffentlich-rechtliches Zeugnis über die vollständige Vergleichbarkeit ausgestellt. Danach können direkt Fortbildungen (etwa zum Bachelor Professional) begonnen oder die Ausbildereignung erworben werden.

Wer nicht die vollständige, sondern nur die überwiegende Vergleichbarkeit seiner beruflichen Handlungsfähigkeit zeigen konnte, erhält bei entsprechendem Erfolg eine öffentlich-rechtliche Bescheinigung über diese überwiegende Vergleichbarkeit. Diese Bescheinigung weist genau aus, was schon beherrscht wird und was noch zur vollständigen Vergleichbarkeit fehlt. Sie kann unmittelbar am Arbeitsmarkt verwendet werden und berechtigt zusätzlich zu einem Ergänzungsverfahren, in dem die Feststellung der vollständigen Vergleichbarkeit erreicht werden kann.

Für Menschen mit Behinderungen, die sich entsprechend auf die berufliche Handlungsfähigkeit auswirken, wird eine individuelle berufliche Handlungsfähigkeit am Maßstab eines Referenzberufs auch dann festgestellt und bescheinigt, wenn diese nicht überwiegend oder vollständig, sondern nur teilweise vergleichbar ist mit der für die Ausübung des Referenzberufs erforderlichen beruflichen Handlungsfähigkeit. In diesen Fällen wird dann die teilweise Vergleichbarkeit im Bescheid ausgewiesen (vgl. § 50d BBiG)

Autor: Volker Helfen

Tipp der wirAUSBILDER-Redaktion

Eine Gegenüberstellung der alten und neuen Version des BBiG finden Sie hier ab S. 7.

Die Empfehlung des BIBB-Hauptausschuss “Mobiles Arbeiten und Lernen in der dualen Berufsausbildung” finden Sie hier.

 

Hinterlasse einen Kommentar

Name*

E-Mail* (wird nicht veröffentlicht)

Webseite