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Pro und Contra zur Qualität in der Handwerksausbildung

Wie ist es derzeit um die Qualität in der Handwerksausbildung bestellt? Kann man sich auf die vom OECD-Bildungsbericht vergebenen guten Noten für das duale Ausbildungssystem in Deutschland berufen? Oder gibt es im Hinblick auf die Kritik im DGB-Ausbildungsreport, gerade für das Handwerk, noch viel zu verbessern? Die Deutsche Handwerkszeitung hat dazu Volker Born, den Leiter der Abteilung Berufliche Bildung des Zentralverbands des Deutschen Handwerks und Florian Haggenmiller, Bundesjugendsekretär des DGB befragt.

Hat das Handwerk seinen guten Ruf für die Ausbildung zu Unrecht?

Haggenmiller: Das Handwerk profitiert zwar noch von einem guten Ruf, sodass Jugendliche ihre Ausbildung hier stärker motiviert starten als in anderen Berufen. Allerdings werden sie im Verlauf der Lehre unzufriedener und geben im Vergleich schlechtere Noten für die Bedingungen, Betreuung und Vergütung. Dazu kommt die oft fehlende Übernahmeperspektive.
Born: Diese Kritik bezieht sich insbesondere auf Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk sowie Maler und Lackierer. Bei der Vergütung gebe es eine große Bandbreite, schließlich zahle das Handwerk bei den Maurern und Gerüstbauern die höchsten Azubigehälter.

Lust auf´s Handwerk, warum sind trotzdem so viele Stellen unbesetzt?

Born: Er verweist auf die motivierten Handwerksazubis, führt aber die vielen unbesetzten Azubiplätze auf den demografischen Wandel und den “Akademisierungswahn” zurück. Auch sieht er großen Bedarf, das Image mancher Berufe der Realität anzupassen. Hier führt er als ersten Erfolg die seit 2 Jahren  leicht gestiegenen Ausbildungszahlen an, entgegen dem Trend. Auch das immer mehr jungen Menschen mit höheren Abschlüssen kommen, verbucht er als Ergebnis des Imagewandels.
Haggenmiller: Gerade in kleinen Betrieben lässt die Ausbildungsqualität noch zu wünschen übrig. Hier empfiehlt er die “assistierte Ausbildung“, um Abbrüche zu vermeiden.

Wie kann man Abbrüche vermeiden?

Born: Jede Vertragsauflösung ist verschwendete Zeit für beide Seiten. Deshalb muss vorher besser informiert werden, z. B. über eine bessere Vernetzung von Berufsberatern, Lehrkräften und Ausbildungsberatern. Schulen müssen stärker in die Pflicht genommen werden, zu kooperieren, die Schüler besser auf mögliche Perspektiven hinweisen.
Haggenmiller: Eine bessere Potenzialanalyse und ein entsprechendes Berufe-Matching könnte helfen. Auch die Ausbildereignungsordung muss sich den wachsenden Anforderungen laufend anpassen.

Status bei der Ausbildung von Flüchtlingen

Born: Bis 2018 sollen 10.000 junge Geflüchtete in Bildungszentren auf eine Ausbildung vorbereitet werden. Bislang nehmen aber nur 2.000 Menschen an einer solchen Maßnahme teil. Allerdings befinden sich bereits 2.500 Jugendliche aus den acht Ländern mit den höchsten Asylbewerberzahlen in einer handwerklichen Ausbildung.
Haggenmiller: Das oft familiäre Betriebsklima im Handwerk kann ein fördernden Faktor für eine erfolgreiche Integration sein.

Wie hilft man den “Verlorenen” auf dem Weg von der Schule zur Berufsausbildung?

Haggenmiller: Aktuell befinden sich 280.000 junge Menschen in diesem Übergangsbereich, bei vielen ist unbekannt, wie sie ihren Weg fortsetzen. Er empfiehlt als Anreiz für mehr Ausbildungsplätze im Handwerk eine Umlagefinanzierung, mit der ausbildende Betriebe von den nicht ausbildenden finanziell unterstützt werden sollen.
Born: Er bewertet diese Idee als  überholt und verweist auf die vielen Betriebe, die Azubis suchen, aber keine finden und hält Praktika und Einstiegsqualifizierungen für eine bessere Alternative.

Mehr oder weniger Politik?

Haggenmiller: Er setzt auf das neue Berufsbildungsgesetz, um z. B. im Hinblick auf Qualität und Überstunden in der Ausbildung nachzubessern.
Born: Noch mehr Vorgaben durch den Gesetzgeber sind überflüssig, er verweist auf den Erfolg diverser Initiativen wie “Stark für Ausbildung” oder “primAQ” der Handwerkskammer Hannover.

Zu wenig Übernahmezusagen und Laufbahnkonzepte?

Born: Vom Kfz-Mechatroniker über den Kfz-Service-Techniker zum Kfz-Technikermeister – mehr solcher Karrieremöglichkeiten wünscht er sich für weitere Ausbildungen, unabhängig vom Schulabschluss. Da ein Betrieb für einen Azubi pro Jahr bis zu 16.000 Euro Kosten brutto habe, könne er sich nicht vorstellen, dass die Unternehmen leichtfertig mit dem weiteren Werdegang ihrer Lehrlinge umgehen.
Haggenmiller: Gerade bei den Übernahmezusagen hakt es, denn nur ein Viertel der Jugendlichen im Handwerk wüssten, dass sie nach der Prüfung im Betrieb bleiben können, das schaffe Verunsicherung.

Einigkeit bei der Verbesserung der Berufsschulqualität

Beide Diskussionsteilnehmer waren sich einig, dass bei der wichtigen Stellschraube Berufsschule nicht mehr gespart werden darf. Große Klassen und schlechte Ausstattung in den Schulen sorgen für Unzufriedenheit bei Schülern und Lehrern. Die Kultusministerien, die bis 2018 20 Milliarden Euro in eine Hochschulpakt investieren, dürfen daneben die Berufsschulen nicht aus dem Auge verlieren.

Quelle: Deutsche Handwerkszeitung vom 8.12.2016

 

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