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Arbeitsunfähigkeit vorgetäuscht: Kündigung möglich?

Können Auszubildende wegen vorgetäuschter Arbeitsunfähigkeit gekündigt werden? Das Arbeitsgericht Siegen hatte einen Fall zu entscheiden, in dem ein Auszubildender nach der Probezeit eine fristlose Kündigung erhalten hatte.

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Der Fall

Ein angehender Sport- und Gesundheitstrainer nahm einen schulischen Nachprüfungstermin am 05.10.2021 nicht wahr und legte in seinem Ausbildungsbetrieb, einem Fitness-Studio, am 06.10.2021 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Diese war für den Zeitraum 05. bis 07.10.2021 ausgestellt. Unmittelbar nachdem er seinen Krankenschein abgegeben hatte, führte er ein intensives Kraft-Training durch.

Daraufhin wurde er von seinem Ausbilder zur Rede gestellt. Der Auszubildende erklärte, dass er es nicht geschafft habe, den Lernstoff für seine Lizenzprüfung zu bearbeiten. Um für den Nachholtermin entschuldigt zu sein, habe er sich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beschafft. Er gab zu, dass er gar nicht krank sei, sondern die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur als Entschuldigung für das Ausbildungsinstitut benötigt.

Gegen die daraufhin schriftlich am 06.10.2021 ausgesprochene und dem Auszubildenden zugestellte fristlose Kündigung des Ausbildungsverhältnisses erhob dieser Kündigungsschutzklage.

Die Parteien stritten um die Wirksamkeit der außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 06.10.2021. Versehentlich wurde im Kündigungsschreiben der 05.12.2021 als Tag seiner schulischen Prüfung statt des 05.10.2021 genannt. Der Auszubildende (Kläger) ging davon aus, dass die Kündigung unwirksam sei. Denn er habe am 05.12.2021 keine schulische Prüfung verpasst, da das Datum noch gar nicht eingetreten war. Den weiter aufgeführten Kündigungsgrund, wonach er sich während seiner Arbeitsunfähigkeit genesungswidrig verhalten haben soll, indem er trainierte, erklärte er mit der Behauptung, ihm sei es am Vormittag des 06.10.2021 wieder so gut gegangen, dass er sich in der Lage gesehen habe, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen im Rahmen des Ausbildungsvertrages im Betrieb des Beklagten wieder aufzunehmen. Sein somit pflichtgemäßes Verhalten könne ihm nicht angelastet werden, sodass das Ausbildungsverhältnis ungekündigt fortbestehe.

Die Entscheidung des Gerichts

Der Klageantrag ist unbegründet. Das zwischen den Parteien bestehende Ausbildungsverhältnis ist aufgrund der außerordentlichen fristlosen Kündigung vom 06.10.2021 gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG wirksam beendet worden.

Nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG kann nach Ablauf der Probezeit beiderseits aus wichtigem Grund ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Ein wichtiger Grund setzt in Anlehnung an § 626 BGB voraus, dass das Ausbildungsziel erheblich gefährdet und die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses unzumutbar ist (vgl. BAG 12.02.2015, NZA 2015, 741; LAG RhPf 02.03.2017, BeckRS 2017, 106870).

Es sei anzunehmen, dass der Kläger nicht wie behauptet, am 06.10.2021 spontan von seiner Erkrankung genesen und dann bei dem Beklagten neben dem unstrittig durchgeführten intensiven Krafttraining arbeiten war, sondern vielmehr, dass er gar nicht krank war und sich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur ausstellen ließ, um den Prüfungen am 05. und 06.10.2021 zu entgehen. Ob es sich bei der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung um eine Gefälligkeitsbescheinigung oder um eine erschlichene Bescheinigung handelt, ist nicht relevant.

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Dieses Vorgehen des Klägers gefährdet das Ausbildungsziel erheblich und macht dem Beklagten die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses unzumutbar.  Zudem stellt das Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit eine derart schwerwiegende Pflichtverletzung dar, dass durch sie das Vertrauen des Beklagten in seinen Auszubildenden gänzlich zerstört wird.

Die Kündigung erfolgte zudem nich erst kurz vor Ende der Ausbildung, sondern kurz nach dem ersten Ausbildungsjahr. Einer Abmahnung bedarf es in diesem Fall nicht, da eine Hinnahme des Verhaltens durch den Beklagten offensichtlich ausgeschlossen ist. Kein Auszubildender darf davon ausgehen, dass falsche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorzulegen, um sich sich  Prüfungen (insbesondere wenn es sich um Nachholprüfungen handelt), zu entziehen, vom Ausbildungsbetrieb tolieriert wird.

Die Kündigung erfolgte schriftlich und unter Angabe der Kündigungsgründe, sodass die Kündigung nicht gemäß § 22 Abs. 3 BBiG unwirksam ist. Dass der Beklagte sich in der Kündigungserklärung bzgl. des Datums verschrieben hatte, ist unbeachtlich. Den Parteien ist klar, dass am 06.10.2021 noch keine Prüfung am 05.12.2021 verpasst worden sein kann. Zudem wussten beide, dass die Nachholprüfung für den 05.10.2021 angesetzt war, sodass nur dieses Datum gemeint sein konnte. Zu den arbeitsvertraglichen Pflichten eines Auszubildenden gehört auch die Teilnahme am Berufsschulunterricht und an Prüfungen.  Die Kündigungsfrist von zwei Wochen gemäß § 22 Abs. 4 Satz 1 BBiG wurde eingehalten.

>> Aktenzeichen 5 Ca 1849/21

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