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Ausbildungscontrolling: Was Ausbildung wert ist

Wenn im Unternehmen der Rotstift angesetzt wird, haben Ausbildungsleiter:innen einen schweren Stand. Betriebliche Ausbildung ist teuer, aufwändig und personalintensiv, so argumentieren Finanzvorstände gerne und haben meist auch gleich die passenden Zahlen parat. Wer die Kritiker:innen vom Nutzen der Ausbildung überzeugen will, muss ihre Sprache sprechen – die der Zahlen. Das Controlling der innerbetrieblichen Ausbildung ermöglicht, Effektivität und Effizienz der Ausbildungsarbeit zu analysieren, zu messen und zielgerichtet zu steuern.

©photocase/fmatte

Erst dadurch wird die langfristige strategische Planung der innerbetrieblichen Ausbildung möglich und Erfolge werden messbar.

Konkrete Zahlen überzeugen auch Kritiker vom Nutzen der Ausbildung

Keine Azubis = keine Kosten: Controller:innen sehen in der Ausbildung häufig nur einen Kostentreiber. Wenn es darum geht, den Beitrag zur Wertschöpfung zu belegen, stehen Ausbildungsverantwortliche vor einem Problem. Denn ähnlich wie ihren Kolleg:innen im Marketing mangelt es an Produktivitätsnachweisen, die auch die Finanzfachleute überzeugen.

Gute Gründe auszubilden gibt es zwar genug:

  • Fachkräftenachwuchs fördern,
  • das Image des Unternehmens pflegen,
  • die Qualität in den jeweiligen Berufsbildern sichern.

Doch geht es ans Eingemachte, fegen die Zahlen aus der Bilanzbuchhaltung diese „weichen Faktoren“ schnell vom Tisch. Etwas erreichen lässt sich daher nur, wenn alle Entscheider im Unternehmen Ausbildung für eine Investition halten, die sich rechnet.

Zahlen, Daten, Fakten

Um einen ausbildungsbejahenden Kurs durchzusetzen, braucht es Methoden, die den betriebswirtschaftlichen Nutzen von Ausbildung so darstellen, dass er auch für Controller:innen nachvollziehbar und plausibel ist. Dazu können beispielsweise einfache Methoden aus der Finanzmathematik genutzt werden: Da die Ausbildung über mehrere Jahre läuft, können die Kosten mit den unternehmensüblichen Werten eines Vergleichszinssatzes abgezinst (z. B. auf den Entscheidungszeitpunkt der Einstellung) oder aufgezinst werden (z. B. auf den Zeitpunkt, wenn ein fertig ausgebildeter Mitarbeiter für das Unternehmen bereitsteht).

Ausbildungszahlen

Ein weiterer Ansatz, das Humankapital eines Unternehmens in einer monetären Größe zu ermitteln, wie es die „Saarbrücker Formel“ versucht, ist mittlerweile nicht nur im akademischen Diskurs, sondern auch in den HR-Abteilungen größerer Unternehmen angekommen.

Der Wert des Humankapitals – Saabrücker Formel

Unsere Mitarbeitenden sind unser größtes Kapital!“ – ein beliebter Slogan in so mancher Imagebroschüre. Doch wie lässt sich dieser Wert in konkrete Zahlen fassen? Der Begriff „Humankapital“ mag für Nicht-Ökonomen einen irritierenden Beiklang haben, aber die Methoden, dessen Wert zu messen, können ein wichtiges Steuerungsinstrument für innovatives, zukunftssicherndes Personalmanagement sein. Ein vieldiskutierter Ansatz ist die „Saarbrücker Formel“, die der BWL-Professor Christian Scholz entwickelt hat. Sie errechnet den Wert des Humankapitals des gesamten Unternehmens zu einem bestimmten Stichtag und drückt ihn in einer Bestandsgröße aus, z. B. in einem Eurobetrag.

Doch wie sieht es in kleinen und mittleren Unternehmen aus? Und lässt sich die Formel auch im Ausbildungsbereich anwenden?

Als Ausbildungsleiter:in sollten Sie zunächst die im Unternehmen vorliegenden Daten analysieren. Dabei kann es hilfreich sein, den Lohnkostensatz und die Gemeinkosten auszuwerten sowie das Werbebudget für Recruiting abzufragen.

©iStock – sturti

Personalgewinnung

Bei einem Vergleich der Kosten des Auswahlverfahrens für Fachkräfte (Anzeigenkampagnen, HR-Messen, Assessment Center etc.) mit den Kosten eines Azubis über die gesamte Ausbildungszeit zeigt sich häufig, dass die Ausgaben ähnlich hoch sind.

Berechnet man die Kosten für Anwerbung, Einarbeitung und das oft übertarifliche Gehalt einer von einem anderen Arbeitgeber abgeworbenen Fachkraft, ist der Azubi unter dem Strich sogar kostengünstiger. Denn bei einer geschickten Versetzungsplanung während der Ausbildung ist eine Einarbeitung nach Übernahme meist nicht notwendig. Zudem hat der Azubi schon während seiner Ausbildung aktiv an den Aufträgen mitgearbeitet und damit einen Beitrag zur Produktivität des Unternehmens geleistet.

Onboarding-Maßnahmen

Die Kosten der Onboarding-Maßnahmen für neue Mitarbeitende entfallen bei der Übernahme eines Azubis, da er in die Betriebsabläufe, das Team und die Unternehmenskultur bereits hineingewachsen ist. Er kennt die formellen und informellen Strukturen, die Unternehmenskultur und hat bestenfalls schon ein eigenes Netzwerk aufgebaut.

©iStock – andresr

Probezeitkündigungen externer Fachkräfte

Stellt sich heraus, dass die neue Fachkraft trotz aufwändiger Auswahlverfahren eine Fehlbesetzung ist, schnellen die Kosten erst recht in die Höhe. Bei der Übernahme eines Azubis hingegen ist das Risiko einer Fehlbesetzung äußerst gering, denn der Betrieb kann die Stärken und Schwächen des Kandidaten bereits sehr genau einschätzen. Außerdem bietet die Aussicht auf eine Übernahme auch dem Azubi eine Perspektive und fördert dessen langfristige Bindung an den Betrieb. Die „Investition Ausbildung“ bleibt somit im Unternehmen – ein Aspekt, der ebenfalls in den Kostenvergleich einfließen sollte.

Forschung in eigener Sache: Daten selbst erheben

Besonders in kleinen Betrieben wird ein evidenzbasierter Ansatz im Personalmanagement selten verfolgt. Dann hilft nur: Erheben Sie selbst Daten, die Ihre Argumente untermauern!

Dieser Prozess kann mit einer quantitativen Erhebung mittels eines Fragebogens beginnen. Bitten Sie die Kolleg:innen in den einzelnen Abteilungen um eine möglichst konkrete Einschätzung:

„Wie produktiv ist z. B. Ihr Industriemechaniker-Azubi in der Stunde im Vergleich zu einer jungen Fachkraft in Prozent?“

Vergleiche zwischen frisch ausgebildeten Fachkräften und Azubis im letzten Ausbildungsjahr zeigen häufig, dass die Produktivität annähernd gleich ist. Das heißt, dass sich die Arbeitsleistung eines Azubis bereits auf Fachkraftniveau im Umsatz niederschlägt.

Eine andere Frage könnte lauten:

„Wie viel Arbeitszeit des Ausbilders wird für die Betreuung eines Azubis pro Tag gebunden in Prozent?“

Um die Subjektivität dieser Einordnungen auszugleichen, empfiehlt es sich, aus den Rückmeldungen aller Abteilungen einen Durchschnittswert zu ermitteln.

Wichtig ist außerdem, nicht nur retrospektiv, sondern auch prospektiv zu analysieren. Strategische Ausbildungsplanung richtet den Blick immer auch in die Zukunft:

  1. Welche und wie viele Azubis stellen wir in den nächsten Jahren ein?
  2. Welchen Personalbedarf haben die einzelnen Abteilungen perspektivisch?
  3. Wie entwickelt sich das Unternehmen voraussichtlich?

Konsens durch Kommunikation

Ausbildungsverantwortliche müssen nicht der reinen Lehre eines einzigen Verfahrens folgen, wenn sie den Wert der Ausbildung in Zahlen fassen wollen. Eine Mischung aus unterschiedlichen Ansätzen kann durchaus sinnvoll sein. Wichtig ist zunächst vor allem die Erkenntnis: Nutzenorientierung und Humankapital-Argumentation sind bei der Bewertung der betrieblichen Ausbildung hilfreiche Hebelpunkte und wer die vorhandenen Zahlen klug zu interpretieren weiß, kann schlagkräftiger argumentieren.

Flankiert von anderen Maßnahmen, die eine „Pro Ausbildungskultur“ schaffen – wie z. B. vom Vorstand abgezeichnete Leitlinien, ein klares Rollenverständnis der Ausbildungsakteure und ein klares Commitment der Führungskräfte im Unternehmen –, entsteht ein wirkungsvolles Instrumentarium, um die Ausbildungsqualität und -quantität im Unternehmen für die Zukunft zu sichern oder gar zu steigern.

Kurz und bündig

  • Verstehen Sie die Denkweisen von Controllern und Finanzfachleuten.
  • Nutzen von Ausbildung transparent machen.
  • Weiche Faktoren wie die Bedeutung der Nachwuchsförderung oder gesellschaftliche Verantwortung sind wichtig, wenn es aber um die Investitionsentscheidung geht, zählen oft nur die
    harten Fakten.
  • Wenn Sie periodenübergreifende Euro-Beträge ermitteln, zinsen Sie diese auf den Entscheidungszeitraum ab – kleine Rechnung mit großer Wirkung.
  • Erheben Sie konkrete Zahlen, die eine belastbare Grundlage für eine bedarfsorientierte Ausbildungsplanung liefern.
  • Bereiten Sie damit den Boden für eine dauerhaft hohe Übernahmequote – denn das spart Kosten und wirkt dem Fachkräftemangel entgegen, was langfristig die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens sichert.

Autor: Ulrich Ivens hat eine technische und kaufmännische Berufsausbildung sowie ein kaufmännisches Studium absolviert. Er ist Ausbildungsleiter der Forschungszentrum Jülich GmbH, eines der großen Forschungszentren Europas mit rund 5.500 Mitarbeitern und etwa 350 Auszubildenden. wirAusbilder 5/2016

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