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Ausbilden neu gedacht: Moderne Lernprozessbegleitung

Die Gestaltung einer modernen Ausbildung und Bindung motivierter und talentierter Nachwuchskräfte sind kritische Erfolgsfaktoren geworden. Nina Weisenstein von der Stadtwerke Hanau GmbH berichtet von dem ganzheitlichen Ansatz, der es ihnen ermöglicht, Auszubildende gezielt zu fördern und gemeinsam mit ihnen ihr individuelles Potenzial zu entwickeln. Moderne Lernprozessbegleitung.

Das „klassische“ Vormachen, Nachmachen und Üben hat ausgedient. Heute sind zusätzliche Fähigkeiten im Ausbildungsalltag und für das spätere Berufsleben gefordert: Die methodische, persönliche und soziale Kompetenz.

 

©Stadtwerke Hanau GmbH

Jedes unserer Berufsbilder muss heute komplexe Aufgaben lösen: Beispielsweise genügt es nicht, dass ein Anlagen-Techniker eine Leitung beim Kunden reparieren kann. Er muss außerdem sicher auftreten, im Kundenkontakt geschult sein, vor Ort Probleme lösen, eigene Entscheidungen treffen und Zusammenhänge erkennen können, die über das eigene fachliche Aufgabengebiet hinausgehen. Es geht heute demnach um Können statt nur Wissen.

Wir vermitteln deshalb neben der Fach- auch Handlungskompetenz. Das Ausbildungscoaching und die Lernprozessbegleitung sind zum zentralen Bestandteil in unserem Ausbildungsbereich geworden. Unsere Auszubildenden erlernen ganze Handlungssequenzen direkt in realen Arbeitsabläufen im Sinne eines selbstständigen, entdeckenden Lernens, durch wechselseitig individuelle und kooperative Lernphasen, die mit Spaß, Sinn, Wachstum, Mitdenken und Erkennen von Zusammenhängen einhergehen. Unsere Auszubildenden übernehmen dabei für ihren eigenen Lernprozess Verantwortung und erkennen durch Selbstreflexion ihre ganz persönlichen Stärken und Schwächen.

Tipps zur Lernprozessbegleitung in der betrieblichen Praxis

  1. Feststellung des individuellen Lernbedarfs

Der Lernbedarf ermittelt sich aus dem Abgleich zwischen Soll und Ist. Der Sollzustand sind die Lernziele, die gemäß Rahmenplan, Geschäftsprozess und individueller Ziele erreicht werden sollen und in einem Coaching-Gespräch zwischen Azubi und Lernprozessbegleiter ermittelt werden. Der Ist-Zustand ist das, was tatsächlich schon beherrscht wird, z.B. festgestellt durch regelmäßige Feedback-Gespräche sowie Alltagsbeobachtungen.

  1. Entwicklung von Lernwegen

Im Coaching-Gespräch werden mögliche Lernwege erörtert und festgelegt.

  1. Treffen einer Lernvereinbarung

Über die Lernbedarfe und den gewählten Lernweg zur Erreichung des Lernziels dient eine Lernvereinbarung als Erinnerung und Selbstverpflichtung, z.B. durch einen Brief, den der Azubi an sich selbst schreibt.

  1. Auswahl der Aufgabe bzw. des Geschäftsprozesses und Aufbereitung des Lernens

Die Identifikation und Aufbereitung der Lerneinheit ist Aufgabe des Lernprozessbegleiters.

4.1 Identifikation der relevanten Geschäftsprozesse

Können die Kompetenzen durch formales Lernen (Seminare, Lehrgespräche, Vorträge), durch handlungsorientierte Lernsequenzen (Erkundungsaufträge, Plan- oder Lernspiele) oder mit Durchführung einer Echtsituation am Arbeitsplatz am besten erlernt werden?

4.2 Analyse der Prozessschritte und deren Anforderungen

Welche internen und externen Schnittstellen sind involviert? Ändert sich an den abteilungsspezifischen Arbeitsabläufen aus Ausbildungsgründen nichts? Ist die arbeitsintegrierte Aufgabe selbstständig bearbeitbar?

4.3 Identifikation der Ressourcen des Lernenden

  • Inwieweit wird das selbstentdeckende Lernen mit Begeisterung, Spaß und Freude gefördert?
  • Kann der Azubi mit der Aufgabe durch Erfahrungs- und Erkenntnisgewinne sich persönlich weiterentwickeln?
  • Wird der Sinn der eigenen Tätigkeit für das große Ganze deutlich?

4.4 Festlegung von Unterstützungsangeboten

  • Werden permanente Lernschleifen mit Beweiserlebnis (Feedback durch Ausprobieren) zwecks Integration neuen Verhaltens ermöglicht?
  • Sind ggf. zusätzliche Unterstützungsangebote, Vertiefungen und Übungen vorgesehen?

4.5 Abgleich bedeutsamer Prozesse des Unternehmens mit denen des Lernenden

  • Beinhaltet die Aufgabe bedeutsame Prozesse, die einen Gewinn bzw. messbaren Mehrwert für das Unternehmen bieten?
  • Werden auch non-profitable Lernprozessschritte für die berufliche Zukunft und persönliche Entwicklung des Azubis ermöglicht?

4.6 Beachtung externer Rahmenbedingungen

  • Finden sich die angedachten, ausbildungsrelevanten Prozesse in der Ausbildungsordnung und im Rahmenplan wider?
  • Falls nicht, gilt die Flexibilitätsklausel der Ausbildungsordnung!

4.7 Dokumentation des Lernprozesses

Der gesamte Lernprozess wird täglich durch den Azubi in einem Lerntagebuch mit Lernaufgaben, -erfahrungen, -schleifen, -entwicklungen dokumentiert. Auch die eigene neue Rolle wird durch den Lernprozessbegleiter im Lerntagebuch festgehalten.

  1. Begleitung des Lernprozesses

Im Lernprozess ist der Azubi aktiv und Experte für die eigenen Lernbedarfe sowie das selbstgesteuerte Lernen. Der Lernprozessbegleiter ist aktiv-passiv, da bei unpassendem Einschreiten, Lernchancen verhindert würden. Eine Unterstützung erfolgt durch eine regelmäßige Kommunikation auf Augenhöhe und Anregung zur Selbstreflexion im Sinne der Eigenverantwortung.

  1. Auswertung des Lernprozesses

Im Coaching-Gespräch reflektiert der Azubi, wie erfolgreich der Lernprozess war:

  • Was hat der Azubi gelernt? Auf welche Bereiche ist dieses Wissen übertragbar?
  • Welche Stolpersteine gab es bei der Lernziel-Erreichung?
  • Wie zufrieden ist er mit den Arbeitsergebnissen und was gäbe es noch zu verbessern?
  • Wie wurden die beiden gelebten Rollen empfunden?

Moderne Lernprozessbegleitung: Unser Fazit

Es hat sich für alle Beteiligten der Stadtwerke Hanau gelohnt, die interne Ausbildung ganzheitlich und nachhaltig neu zu denken und im Unternehmen zu verankern: Das selbstorganisierte Lernen bedeutet eine komplett neue Lernkultur in der Ausbildung und den Wandel des Ausbilders zum Lernprozessbegleiter.

Es ist immer wieder toll zu sehen, wie viel unser Nachwuchs aus sich herausholen kann und wie es ihnen gelingt, ihre eigene Entwicklung eigenverantwortlich zu gestalten und Herausforderungen kreativ und zielorientiert zu meistern.

 

©Stadtwerke Hanau GmbH

Nina Weisenstein steuert und begleitet als verantwortliche Ausbildungsleiterin bei der Stadtwerke Hanau GmbH alle operativen und strategischen Ausbildungsthemen im Haus.

 

 

 


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©NWB Verlag

 

 


Lesen Sie auch unsere Blog-Artikel Lernkultur im Unternehmen verankern und  Wie Ausbilder:innen den Lernerfolg kontrollieren können. 

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