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Corona-Ausbildungsprämien erreichen Zielgruppe nicht

Corona-Ausbildungsprämien erreichen Zielgruppe nicht
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Gast-Blog von Prof. Dr. Ralf Jahn

Zum Start des neuen Ausbildungsjahres 2020/21 sind am 1.8.2020 die Förderrichtlinien des Bundes für das Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ in Kraft getreten, das von der Bundesagentur für Arbeit (BA) umgesetzt wird. Ende September zeichnet sich aber als Zwischenbilanz ab: Das Programm kommt bei der Zielgruppe nicht an.

Hintergrund

In der Corona-Krise soll der Abschluss neuer Ausbildungsverträge mit dem Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ finanziell gefördert werden, das in diesem und dem nächsten Jahr (bis 30.6.2021) mit bis zu 500 Mio. € dotiert ist. Die Eckpunkte des Programms sind am 24.6.2020 vom Bundeskabinett beschlossen worden. Am 31.7.2020 ist die Förderrichtlinie zur Umsetzung des Bundesprogramms vom zuständigen Ministerium veröffentlicht worden. Seit Anfang August 2020 können Ausbildungsprämien beantragt werden. Für die praktische Umsetzung in den Unternehmen hat die BA wichtige Informationen wie FAQ, Ausfüllhilfen und Antragsformulare zum Download auf einer eigenen Website bereitgestellt: Informationen für Arbeitgeber und Partner. Schwerpunkte des Subventionsprogramms sind die Förderlinien “Ausbildungsprämie”, “Ausbildungsprämie plus”, “Übernahmeprämie” und “Vermeidung von Kurzarbeit”. Die Programmlinie “Auftrags- und Verbundausbildung” wird demnächst separat geregelt. Nach den Richtlinien werden jetzt für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) Ausbildungsprämien bei Erhalt des Ausbildungsniveaus (2000 € pro Auszubildenden), Erhöhung des Ausbildungsniveaus (3000 € pro Auszubildenden), Übernahmeprämien (3000 € pro Auszubildenden) oder bis zu 75% der Brutto-Ausbildungsvergütung bei Vermeidung von Kurzarbeit während der Ausbildung gezahlt. Die Zahl der Ausbildungsverhältnisse bescheinigen die jeweils zuständigen Kammern.

Ausbildungsprämie kommt nicht an

In der Praxis zeigt sich, dass die Nachfrage eher verhalten ist. Nach Angaben der Regionaldirektion Bayern der BA wurden bayernweit bis letzte Woche erst rund 1.000 Anträge gestellt. In Mainfranken etwa berichten die Arbeitsagenturen, dass insgesamt nur ca. 500-600 Anfragen zur Prämie gestellt wurden. Bisher bewilligt wurden in den beiden BA-Bezirken jedoch nur 100-120 Anträge mit einem Volumen von knapp 400.000 €. Diese Zurückhaltung dürfte kein mainfränkisches oder bayerisches Phänomen sein, sondern ein bundesweiter Trend. Woran liegt das? Die Rückmeldungen aus der Praxis zeigen, dass die Bonusprogramme nur für wenige Betriebe in Betracht kommen, die überhaupt die Kriterien erfüllen:

  • Antragsberechtigung:
    Nur KMU sind antragsberechtigt. Als KMU gelten Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten. Dabei wird die Zahl der Beschäftigten in Vollzeitäquivalenten zum Stichtag 29.2.2020 zugrunde gelegt.
  • Beschränkung der Prämie:
    Unternehmen können nur eine Prämie pro Ausbildungsvertrag beantragen. Sie können die Förderungen aus dem Bundesprogramm „Ausbildungsplätze sichern“ nicht mit Förderungen auf anderen rechtlichen Grundlagen oder nach anderen Programmen des Bundes oder der Länder kombinieren, die die gleiche Zielrichtung oder den gleichen Inhalt haben.
  • Bürokratieaufwand:
    Zusätzlich zum Antrag muss eine Bescheinigung der zuständigen Stelle für den Ausbildungsberuf (nach BBiG,  HandwO; IHKG oder dem SeearbeitsG) vorgelegt werden. Meistens sind das die Kammern: zum Beispiel die Industrie- und Handelskammern oder die Handwerkskammern. Bei anderen förderfähigen Berufen muss der Ausbildungsvertrag vorgelegt werden. Außerdem muss  eine De-minimis-Erklärung abgegeben werden.

Was müsste verbessert werden?

Richtig ist, dass die Zahl der Ausbildungsbetriebe in den letzten Jahren stark rückläufig war: bundesweit von 482.439 im Jahr 2005 auf 427.227 im Jahr 2017. Richtig ist aber vor dem Hintergrund rückläufiger Schulabgängerzahlen im Zuge des demografischen Wandels auch, dass der Tisch für Ausbildungsbewerber immer noch reich gedeckt ist: Rechnerisch kommen bundesweit rund 1,8 Stellenangebote auf einen Ausbildungsplatzbewerber. Das bedeutet, dass die Unternehmen gar nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze qualifiziert besetzen können. Ausbildungsbetriebe müssen also nicht wirklich mit finanziellen Prämien des Staates „gelockt“ werden, damit sich die Ausbildungssituation verbessern kann.

Was müsste am Ausbildungsprämien-Programm geändert werden? Will man in der bis 30.6.2021 laufenden Förderperiode die Mittelausschöpfung ankurbeln, müssten die Zugangskriterien gelockert werden – so wie dass das BMWi/BMF bei der Corona-Überbrückungshilfe auch getan hat. Besser und wirksamer wäre aber eine Verlängerung des Ausbildungsprogramms über den 30.6.2021 hinaus. Wie in den letzten Jahren üblich, haben die meisten Unternehmen nämlich ihre Ausbildungsplätze für das Ausbildungsjahr 2020/2021 bereits frühzeitig besetzt – lange bevor die Ausbildungsprämie an den Start ging. Richtig dramatisch mit weiter rückläufigen Ausbildungszahlen dürfte sich aber das Ausbildungsjahr 2021/2022 entwickeln – vor allem, wenn auch bis Frühsommer 2021 keine wirkliche Entspannung bei Corona zu beobachten ist.

Weiterführende Informationen: Rechenbeispiel: Ausbildungsplätze sichern

Quellen

Informationen für Arbeitgeber und Partner   (www.arbeitsagentur.de)

Autor: Prof. Dr. Ralf Jahn

  • Studium der Rechtswissenschaften in Würzburg
  • Hauptgeschäftsführer der IHK Würzburg-Schweinfurt
  • Honorarprofessor an der Universität Würzburg

Weitere Beiträge von Prof. Dr. Jahn finden Sie im NWB Experten-Blog.

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