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Online-Bewerbungsverfahren – wie sinnvoll werden sie eingesetzt?

Bewerbungsmappe
@eyewave_M/fotolia

Der Einsatz von Online-Bewerbungsverfahren soll das Recruiting ökonomisch und objektiv machen. In vielen Unternehmen werden deshalb digitale Formulare eingesetzt, aber eine Untersuchung hat gezeigt: die eigentlichen Chancen und Potenziale dieser Methode werden kaum genutzt.

Der Wunsch…

In der Theorie sieht die idealtypische Vorauswahl von Bewerbern via Online-Formular so aus:

  1. Eine Anforderungsanalyse legt die Kriterien fest, welche für Ihre Auswahl entscheidend sind (z. B. Schulnoten, privates Engagement etc.).
  2. Ein Online-Fragebogen mit genau diesen Kriterien wird programmiert.
  3. Bewerber antworten im Formular auf rund 10 bis 20 Fragen, ein formales Anschreiben, Motivationsschreiben, Foto entfallen.
  4. Der Computer erstellt eine grobe Vorauswahl nach der Vorgabe, dass nur diejenigen ausgefiltert werden, die gar nicht in Frage kommen.
  5. Alle anderen erhalten eine Einladung zu einem Online-Leistungstest.
  6. Der Computer erstellt erneut eine Auswahl.
  7. Falls nicht aufgrund der Menge mit einem Online-Persönlichkeitstest weiter gefiltert werden muss, folgt nun eine Einladung zum Interview.

Wird das Verfahren konsequent durchgeführt, erheben Sie nur noch Daten, die Ihnen eine reale Aussage über die Eignung eines Bewerbers liefern. Sie verlieren keine Zeit, da die bei vielen noch beliebten Anschreiben z. B. nicht mehr in die Auswertung kommen. Am Ende soll die Anzahl der Bewerbungen steigen und damit die Chance, passende Kandidaten zu finden.

…und die Wirklichkeit

In der Praxis gehen die Personalverantwortlichen in den Unternehmen selten so strikt vor. Eine Felduntersuchung mit 178 Stellenanzeigen mit Online-Bewerbungsformularen, die nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden, zeigte, dass über 80 Prozent ergänzend zu den digitalen Daten weiterhin Anschreiben und Lebenslauf anfordern. Ein Foto wird zwar nur noch von 26 Prozent verlangt, aber 46 Prozent möchten eine Angabe zu Internetreferenzen der Bewerber. Letztlich kann hier ja auch mehr als nur ein Bewerbungsfoto angesehen werden.

Schulische und berufliche Bildung werden kaum abgefragt

An der schulischen und beruflichen Bildung im Online-Fragebogen sind dagegen nur knapp 20 Prozent der Unternehmen interessiert. Das gilt auch für fachliche Ausrichtungen, Berufserfahrung, Schwerpunkte oder Dauer von Tätigkeiten. Wahrscheinlich wird nach wie vor der Lebenslauf für diese Aussagen herangezogen, in Testverfahren spielen diese Faktoren kaum eine Rolle. Nur ein einziges von 178 Unternehmen trifft eine Vorauswahl über Online-Tests.

Kaum Unterschiede bei Groß und Klein

Dabei gibt es kaum Unterschiede, was die Unternehmensgröße betrifft. Bei der Untersuchung wurden die Stellenanzeigen von 3,4 Prozent kleinen, 28,1 Prozent mittelständischen und 68,5 Prozent großen Unternehmen geprüft. DAX-Konzerne legen zwar mehr Wert auf Sprach- und EDV-Kenntnisse, Abschlussnoten, Berufsausbildung, akademische Abschlüsse etc. Allerdings interessieren sie sich auch mehr für die sozialen Netzwerke der Bewerber, wodurch die Auswahl wieder durch subjektive Kriterien beeinflusst wird.

Ein Formular für alle Stellen

Die Möglichkeiten von Online-Bewerbungen nutzen die meisten Firmen nach wie vor nur ansatzweise. Die Auswahl hängt von der “menschlichen Deutung” des Lebenslaufes ab und nicht von validen Daten aus automatisierten Abläufen. Zudem sind die Fragen im Online-Formular selten auf die zu besetzende Position abgestimmt. Für Praktikanten und Führungskräfte werden nicht selten dieselben Fragen gestellt. Ob ein Facebook-Profil dagegen mehr relevante Informationen über die Passung für eine bestimmte Tätigkeit liefert, ist fraglich.

Warum wird der Ansatz nicht ausgeweitet?

Über die Gründe für diesen zaghaften Ansatz von digitalisierten Bewerberverfahren können nur Vermutungen angestellt werden: Vielleicht fehlt das Wissen über entsprechende Forschungsergebnisse oder die Kompetenz soll nicht allein an einen Computer abgegeben werden. Möglicherweise trennt man sich auch nur ungern von lieb gewordenen Gewohnheiten?

Quelle: Kanning, U. P. und Colpan, C.: Alter Wein in neuen Schläuchen. In: Human Resources Manager, Okt/Nov 2016, S. 76-77.

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