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Alles online – aber wo bleibt die Motivation?

Motivation Online-Lernen
iStock / AntonioGuillem

Der Einsatz von digitalen Medien in der Aus- und Weiterbildung ist in vielen Unternehmen und Betrieben angekommen. Doch das Selbstlernen im Netz passiert nicht automatisch, nur weil die Auszubildenden mit Internet und Smartphone aufgewachsen sind. Gibt es die selbstorganisierten Lernenden überhaupt? Oder wird die Motivation der Lernenden im Netz noch wichtiger? Und, wenn ja, wie funktioniert sie?

Sind die „Digital Natives“ wirklich anders?

2001 wies der amerikanische Bildungsexperte Marc Prensky darauf hin, dass wir es zukünftig mit einer Jugend zu tun haben, die mit Computern, Videospielen und Internet aufwächst – „Digital Natives“ also. Diese Jugend, so sein Weckruf, kommuniziert und lernt anders als die Generationen vor ihr und sie stellt neue, andere Anforderungen an das Bildungssystem. Dort trifft sie jedoch auf Lehrende, die – als „Digital Immigrants“ – ihre Sprache nicht oder nur schlecht beherrschen. So plausibel diese Argumentation zunächst war, sie hat sich nicht lange halten können.

Vor allem, weil die Belege für dieses „anders lernen“ fehlen. Natürlich nutzen die Digital Natives andere Tools und drücken sich anders aus. Aber das heißt nicht, dass sie grundlegende Kompetenzen anders erwerben. Im Gegenteil: Wer eine ganze Generation als „Net Generation“ bezeichnet, übermalt die Unterschiede, die es innerhalb jeder Generation gibt. In jedem Fall liefert das Konzept der „Digital Natives“ keinen Schlüssel für die Motivation beim Lernen mit digitalen Medien.

Lernen mit digitalen Medien

Die Motivation der Lernenden muss heute nicht mehr am Mangel an Lernmedien oder Lernangeboten scheitern. Vielfältige Möglichkeiten sind vorhanden, die sich – je nach Schwerpunkt des Bildungs- oder Ausbildungskonzepts – einsetzen lassen:

  • Wir können Lerninhalte auf unterschiedliche Weise im Netz präsentieren. Die Möglichkeiten der Präsentation reichen vom klassischen 45-minütigen Lernprogramm, das mit einem Test abschließt, bis zum kurzen Erklärfilm, der auf den Trend des videobasierten Lernens setzt.
  • Wir können die Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden auf verschiedenen Kanälen im Netz abbilden. Der virtuelle Kursraum als Anlaufstelle für weiterführende Informationen und Selbstlernmedien ist heute fast eine Selbstverständlichkeit. Das Webinar mit der Lerngruppe zur Vorbereitung, als Nachbereitung oder als Sprechstunde, das Diskussionsforum oder der Chat: alles Medien, die uns nicht nur in Lernprozessen begegnen.
  • Wir können Aufgaben, Übungen und verschiedene Formen der Zusammenarbeit im Netz organisieren. Natürlich können Ausbilder die Lernenden z. B. auffordern, zu einem Problem schriftlich Stellung zu nehmen – aber sie könnten auch gemeinsam an einem Dokument im Netz arbeiten oder ein Thema multimedial präsentieren lassen (allein oder als Gruppe). Die entsprechenden Medien stehen Lehrenden wie Lernenden längst zur Verfügung.

Herausforderung Motivation

Auszubildende, die intrinsisch motiviert sind und selbstbestimmt lernen, sind ein Ideal. Unsere Bildungsinstitutionen sind eher Orte des fremdbestimmten Lernens. Lernende zu motivieren, ist deshalb traditionell Aufgabe der Ausbilder und Lehrkräfte, auch wenn sie wissen, dass die extrinsische Motivation immer nur die zweitbeste Lösung darstellt. An diesem Dilemma setzt die Selbstbestimmungstheorie von Richard M. Ryan und Edward L. Deci an. Ihre Prämisse lautet:

„Menschen, die über ihre Handlungen frei entscheiden können, sind wesentlich motivierter als diejenigen, die eine gestellte Arbeitsaufgabe erfüllen müssen.“

Dabei geht die Theorie von drei psychologischen Grundbedürfnissen aus:

  • Bedürfnis nach Kompetenz bzw. Kompetenzerleben: Menschen möchten etwas bewirken und sich in ihren Handlungen als wirksam und kompetent erleben.
  • Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit: Menschen möchten mit anderen verbunden sein sowie akzeptiert und anerkannt werden.
  • Bedürfnis nach Autonomie: Menschen möchten das Gefühl haben, das eigene Handeln selbst bestimmen zu können.

Die Unterscheidung nach diesen Grundbedürfnissen sollte Anlass für Ausbilder sein, ihre bisherigen Ansätze, Lernende zu motivieren, auf den Prüfstand zu stellen: Zahlen die Instrumente, die eingesetzt werden – die verschiedenen Lernspiele und Gruppenaktivitäten, die kleinen Reiz- und Belohnungssysteme – auf diese Grundbedürfnisse ein? Denn nur dann, folgt man der Theorie, stärkt man langfristig die Selbstlernkompetenzen der Teilnehmer. Geht man einen Schritt weiter, stellt sich die Frage: Wie kann das Online-Lernen so gestaltet werden, dass es den genannten Grundbedürfnissen gerecht wird?

Kompetenz erleben

Gamification
Klick für größere Darstellung

Es gibt verschiedene Wege, die Kompetenzen und Erfahrungen der Lernenden in einen Kurs und sein Design aufzunehmen. Eine Online-Umfrage, die den Wissensstand von Auszubildenden abklopft, ist schnell entwickelt und verschickt. Sie gibt die Möglichkeit, zielgerichtet auf dem jeweiligen Stand der Auszubildenden aufzusetzen. Im nächsten Schritt können sie im Rahmen einer virtuellen Lernumgebung aufgefordert werden, eigene Konzepte zu entwickeln und im Netz zur Diskussion zu stellen. Oder man lässt sie mit kreativen Lösungen in Ideenwettbewerben gegeneinander antreten. Dafür kann ein einfaches Diskussionsforum genutzt werden.

Aber es gibt auch Plattformen, die das wechselseitige Bewerten von Ideen unterstützen („Gamification“ ist hier ein aktuelles Stichwort, also die Vergabe von Punkten oder Abzeichen im Kursverlauf. Will man noch einen Schritt weitergehen, gibt man Lernenden die Möglichkeit, auch online ihre erworbenen Kompetenzen direkt zu demonstrieren. Der Ausbilder tritt dann zurück und überlässt zum Beispiel den Lernenden die Organisation, Durchführung und Moderation des nächsten Webinars.

Soziale Eingebundenheit

Während Ausbilder vor Ort einen direkten Einfluss auf die Teilnehmer ihrer Kurse haben, braucht es in virtuellen Lernumgebungen andere Wege und Mittel, um Zusammenhalt und Austausch sicherzustellen. Das beginnt mit der Möglichkeit der Auszubildenden, ihr eigenes Profil zu pflegen, wie man es aus beruflichen Netzwerken wie Xing oder LinkedIn kennt. WhatsApp-Gruppen sind eine naheliegende Möglichkeit, um den informellen Austausch zu fördern. Auch in virtuellen Lernumgebungen hat es sich bewährt, die Teilnehmer in Tandems  zusammenzuschließen, um so den Zusammenhalt einer Kursgemeinschaft zu fördern. Gerade an dieser Stelle, und das macht die Umsetzung dieser Beispiele in der Lehr- und Lernpraxis oft herausfordernd, erweitert sich die Rolle der Ausbilder:

Sie sind nicht mehr nur Experte und Lehrer, sondern auch Community Manager. Als solche sind sie in virtuellen Lernumgebungen „präsent“: moderierend, aktivierend, motivierend.

Wenn diese Aufgaben mit Plattformen und Tools verbunden sind, die Ausbildern noch nicht vertraut sind, rückt auch ihre Medienkompetenz auf die Agenda.

Autonomie

„Es gehört zu den Antinomien der Pädagogik und Didaktik, dass man Selbstbestimmung zum Ziel hat, aber auf dem Weg dahin allein mit Selbstbestimmung nicht auskommt“, äußerte einmal die Didaktik-Expertin Gabi Reinmann. In der Bildungspraxis sind häufig tief verwurzelte Routinen und Erwartungen anzutreffen, die nur schrittweise aufgebrochen werden können. Selbstorganisiertes Lernen im Netz stellt sich nicht ein, nur weil entsprechende Lernangebote zur Verfügung stehen.

Trotzdem ist es wichtig, den Weg von der „Belehrungsdidaktik“ zur „Ermöglichungsdidaktik“ zu gehen. Denn Menschen lernen am nachhaltigsten, wenn sie selbstgesteuert, problemlösend, aktiv und im sozialen Austausch ihre Lernprozesse gestalten können – auch in der digitalen Bildung. Ausbilder und Lehrkräfte schaffen dafür Rahmenbedingungen und Orientierung. Und zu diesen Rahmenbedingungen gehören auch motivationsfördernde Aktivitäten.

Fazit

Selbstlernmedien, die nicht genutzt werden; Diskussionsforen, die leer bleiben; Blogs, in denen der letzte Eintrag vor Monaten geschrieben wurde: Digitale Medien erweitern Bildungskonzepte, knüpfen an Erfahrungen junger Generationen an, sind aber in der Aus- und Weiterbildung keine Selbstläufer. Die Motivation der Teilnehmenden bleibt eine Herausforderung.

Wenn sich Ausbilder dabei an den Grundbedürfnissen des Kompetenzerlebens, der sozialen Eingebundenheit und der Autonomie orientieren, stärken sie die Teilnehmer auf ihrem Weg zum selbstbestimmten Lernen.

DR. JOCHEN ROBES ist selbstständiger Berater im Bereich Corporate Learning und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit innovativen, netzgestützten Formen des Bildungsmanagements sowie des Lehrens und Lernens.
https://weiterbildungsblog.de

Quelle: wirAUSBILDER Magazin, Heft 5 2018, S. 6-9.

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