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Azubis aus dem EU-Ausland – Praxisbeispiel Spanien

Azubis Spanien
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Der Unternehmer Karl Breer aus Heidelberg hatte schon 2011 Schwierigkeiten, Nachwuchs für seine Reinigungsfirma zu finden. Ein Urlaub in Andalusien brachte ihn auf die Idee, es mit spanischen Azubis zu versuchen.

Nachwuchssorgen bei den KMU

Insbesondere mittelständische Unternehmen außerhalb der Ballungszentren haben es schwer mit der Azubi-Suche. In Heidelberg liegt die Quote der Abiturienten eines Schülerjahrgangs bei 80 Prozent. Nur ein sehr kleiner Teil davon kann sich vorstellen, eine handwerkliche Ausbildung zu machen. Manchen Handwerksbetrieben droht sogar schon die Schließung, weil sie kaum noch Fachkräfte finden.

Von der Urlaubsidee zum Projekt

Breer kam in einem Andalusien-Urlaub in 2011 mit jungen Spaniern ins Gespräch, die bereits gut deutsch sprachen und gern nach Deutschland kommen wollten, um arbeiten zu können. Die Jugendarbeitslosigkeit lag in Andalusien 2011 bei ca. 65 Prozent. Wieder zuhause, erkundigte er sich beim Oberbürgermeister und der Wirtschaftsförderung, wie die Chancen auf ein Projekt stehen, mit dem junge Spanier zur Ausbildung nach Heidelberg rekrutiert werden.

Viele Bedenken verzögerten die Umsetzung

Tatsächlich konnte das Projekt erst in 2013 starten, weil es viele Bedenken seitens der Arbeitsagentur und dem Außenministerium gab. In Spanien sollte nicht der Eindruck erweckt werden, dass man die Jugendlichen ausspannen wolle. Mithilfe der IHK Rhein-Neckar wurde Kontakt zur Außenhandelskammer in Madrid aufgenommen, um einen starken Partner für das Projekt zu gewinnen. Dieser warb über Internet, Kontakte und Aushänge an Schulen für die Ausbildungsplätze. Finanziert wurde es über das MobiPro-EU-Förderprogramm, um z. B. Deutschkurse in Spanien zu bezahlen oder Flüge der Azubis von Deutschland in die Heimat zu übernehmen.

Hohe Bewerberquote für zehn Ausbildungsplätze

Die Rücklauf war enorm: gemeinsam mit zwei weiteren deutschen Firmen fuhr Breer nach Madrid zu Vorstellungsgesprächen, für die sich mehr als 600 Bewerber angemeldet hatten. Zehn Ausbildungsplätze sollten vergeben werden, vier davon bei der Heidelberger Reinigungsfirma. 60 potenzielle Kandidaten wurden eingeladen.

Duales System auf spanisch

Für die deutschen Unternehmer war es eine Herausforderung, das duale Ausbildungssystem in Deutschland zu erklären sowie die genauen Inhalte der Berufsbilder zu erläutern. Während in Spanien arbeitslosen Jugendlichen nacheinander Kurse zum Rettungswagenfahrer, im technischen Zeichnen und zum Maurern angeboten werden, ist es schwierig, ihnen zu vermitteln, dass in Deutschland für eine Reinigungstätigkeit drei Jahre Ausbildung durchlaufen werden.

Hohes Ausbildungsniveau

Für die Erläuterung des dualen Systems wurde ein Video auf Spanisch gedreht. Breer erläuterte den Bewerbern, dass das Berufsbild komplex ist, da auch Operationssäle und Fassaden gereinigt werden und Kenntnisse in Werkstoffkunde, Chemie und Physik notwendig sind. Der Ausbildungsgrad der Bewerber war relativ hoch – während sich in Deutschland eher Schulabbrecher auf die Stellen bewarben, hatte man es hier mit Kandidaten auf Abiturniveau zu tun.

Die ersten sechs Monate entscheiden

Dazu kam eine sehr hohe Motivation der jungen Spanier: eine der vier Auszubildenden von damals schloss ihre Ausbildung 2016 als Landesbeste ab. Drei von vier Azubis arbeiten heute noch bei Breer, alle im mittleren Management als stellvertretender Abteilungsleiter, Ausbildungsleiterin oder beim Aufbau neuer Tätigkeitsfelder. Als Erfolgsbaustein zählt Breer die Betreuung insbesondere in den ersten sechs Monaten auf: Gemeinsame Unternehmungen mit allen Azubis, Betreuung durch Paten, die oft auch in persönlichen Bereichen notwendig war und einen gemeinsamen Deutsch-Crashkurs.

Positives Signal auch an regionale Bewerber

Das Projekt hatte in der Region eine sehr positive Außenwirkung auch auf deutsche Bewerber, die dadurch auf das Unternehmen aufmerksam wurden. Aktuell würde Breer gern weiter spanische Bewerber suchen, allerdings wurde das EU-Projekt von der Bundesregierung im letzten Jahr gestoppt. Das Geld soll in die Ausbildung von Flüchtlingen investiert werden. Auch hier war der Unternehmer schon bei Azubi-Speeddatings mit Geflüchteten aktiv, weist allerdings darauf hin, dass die Integration deutlich schwerer ist als bei den spanischen Azubis. Es gibt nicht mehr die intensiven Deutschkurse wie damals, dadurch bleibt die Sprache eine große Hürde. Er denkt jetzt über eine Niederlassung in Spanien nach.

Quelle: Human Resources Manager, Heft April/Mai 2017, S. 48-51.

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