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Videobewerbungen – trifft die Zielgruppe!

Aber was bedeutet das für Unternehmen und Ausbilder?

Klar, der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Eine Aussage mit der ich 100%ig übereinstimme. Aber ist das auch richtig, wenn es um die Bewerbung selbst geht? Was bedeuten Videobewerbungen für Unternehmen und Ausbilder?

Die Idee der Videobewerbung ist, dass die Bewerbung so sein soll, wie es für die Zielgruppe am einfachsten ist. So hat z. B. die Social Media Agentur Buddy Brand einen Creative Director über Snapchat gesucht. Macht Sinn! Er kann seine Fähigkeiten direkt unter Beweis stellen und in kleinen Challenges überzeugen.

Aber ist ein Mini-Video auch das richtige Instrument für einen Ausbildungsplatzsuchenden? Die Möglichkeiten sind hier unterschiedlich. Einige Unternehmen ersetzen mit der Videobewerbung das Anschreiben, andere nehmen es in den Auswahlprozess auf und ersetzen das Telefoninterview durch ein zeitversetztes Video.

Videobewerbung als Anschreiben-Ersatz

Besonders für die Gen Z ist eine Videobewerbung als Anschreiben-Ersatz denkbar. Die These ist, dass Jugendliche lieber Videos aufnehmen als ein Anschreiben zu verfassen und man somit einfacher Bewerber generiert. Die Gen Z kann dank YouTube und Snapchat gut mit Videos umgehen, diese sind fester Bestandteil ihrer Kommunikation geworden. Der klassische Brief aber nicht. Die Hürde für eine Bewerbung in Videoform ist daher wahrscheinlich gering. Für Unternehmen ist das anders, hier ist man es gewohnt, Anschreiben zu lesen. Ein Video zu schauen bedeutet zudem, dass man sich technisch darauf vorbereiten muss.

Videobewerbung als Telefoninterview-Ersatz

Eine weitere Möglichkeit, die erste Unternehmen wie Freenet oder die Techniker Krankenkasse nutzen, ist das Video als Ersatz für das Telefoninterview einzusetzen. Der Bewerber bekommt einen Fragenkatalog und nimmt die Antworten per Video auf. Hier gibt es diverse Anbieter, die diese Technik für Unternehmen realisieren.

Die Vorteile für Ausbilder liegen auf der Hand. Die lästige Terminabstimmung entfällt, Entscheider können es zeitversetzt voneinander anschauen und es lässt sich standardisieren, um Vergleichbarkeit zu schaffen. Die Erfahrungen mit Bewerbern sind unterschiedlich. Einige machen es sehr gerne und es läuft gut. Bei anderen wiederum kommt auch negatives Feedback. Beide Unternehmen haben sich daher entschieden, die Möglichkeit als Option für Bewerber anzubieten. Der Bewerber kann also frei wählen, ob er ein zeitversetztes Videointerview durchführt oder ein Telefoninterview.

Mich stimmt das nachdenklich. Was würde ich tun? Ich glaube, ich würde das Telefoninterview wählen. Wie sonst kann ich auf Reaktionen und Fragen eingehen und vielleicht Dinge betonen oder verdeutlichen, wenn ich kein Feedback meines Gegenübers bekomme?

Bewerbereignung

Videos, die das Anschreiben ersetzen, sind oft – allein schon von der Anbieterseite aus – zeitlich beschränkt. Bei JobUFO beispielsweise hat der Kandidat 30 Sekunden Zeit, in dem Video zu überzeugen. Das ist gar nicht mal so kurz, wenn man an die 10 Sekunden von Snapchat denkt.

Wir müssen also Aspekte der Bewerbereignung nun aus dem Video entnehmen, die sonst in einem Anschreiben enthalten sind. Sicherlich können hier besonders Kandidaten überzeugen, die eine positive Ausstrahlung und eine gute Ausdrucksfähigkeit haben.

Perfekt also für Jobs in der Dienstleistungsbranche, beispielsweise das Hotel- und Gaststättengewerbe oder den Einzelhandel. Hier kann ein Video tatsächlich ein zusätzlicher Indikator für die Eignung des Kandidaten sein. Aber wie ist das mit Berufen, wo dies kaum eine Rolle spielt? Ist hier das Video nicht sogar hinderlich, weil ich mich schriftlich besser ausdrücken kann? Oder wenn Ausdrucksfähigkeit gar kein Schwerpunkt der Stelle ist? Eine positive Ausstrahlung oder auch Kameratauglichkeit hat noch keinem geschadet, aber es sind es doch andere Fähigkeiten und Fertigkeiten, die beispielsweise einen guten Maurer und einen genauen Finanzbuchhalter ausmachen.

Bewerberverhalten

Scrollt man durch Bewerbungsratgeber für Schüler (oder blättert man durch Bewerbungsratgeber…auch das gibt es noch) sind die Tipps oft ähnlich und alle beziehen sich auf das klassische Anschreiben. Das kann zu einer Herausforderung für die Videobewerbung werden.

Auch in der Schule wird gelehrt, dass man eine Bewerbung SCHREIBEN muss. Der Prozentsatz an Bewerbungen, die gerade Schüler noch fein säuberlich als Mappe aufbereiten, ist hoch, obwohl sie Digital Natives sind! So wird es in der Schule gelehrt, von den Eltern vorgemacht und überall geraten. Wenn der Weg für einen nicht unerheblichen Teil von Schülern zur Online- oder Emailbewerbung so weit ist, wie ist es dann mit der Videobewerbung und wie reagieren Eltern, wenn ihre Kinder vorschlagen, doch lieber ein Video als die Mappe zu schicken? Ist das noch seriös? Oder raten sie dem Nachwuchs doch zur Mappe? So gehört sich das schließlich.

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

Ein Artikel des Spiegels berichtet von einem Experiment: Eine Frau bewirbt sich, einmal mit deutschem Namen, einmal mit türkischen Namen, einmal mit Kopftuch. Es wurden fiktive Bewerbungen versendet und in einer großangelegten Studie ausgewertet. Das Ergebnis: Trotz gleicher Qualifikation werden Frauen mit muslimischen Namen von deutschen Unternehmen seltener zu Vorstellungs­gesprächen eingeladen.

Wie ist das nun bei einer Videobewerbung? Wenn sich ein Kandidat mit Migrationshintergrund bewirbt, kann er im besten Fall Vorurteile abbauen, die sonst bei Ansicht seiner Bewerbung entstehen könnten. Ein echter Vorteil also!

Nichtsdestotrotz: Ein Foto darf nicht Bestandteil einer Bewerbung sein müssen. Daher ist das Video auch nur eine Option. Diese macht es dem Bewerber einfacher und darf nicht zum Ausschluss der Bewerbung führen, wenn es fehlt.

Fazit: Das Thema Videobewerbung ist definitiv spannend, wirft aber noch viele Fragen auf. Wie sich die  Akzeptanz in der Zielgruppe und in Unternehmen entwickelt und ob sie es schafft, einen neuen Trend zu setzen, wird die Zukunft zeigen. Noch sind es wenige Unternehmen, die sich an das Format trauen. Die ersten Bewerber finden es gut und nehmen es an. Ob die Entwicklung vorübergehend ist oder ein neuer Weg, den wir beschreiten müssen, wird die Zukunft zeigen.

Über die (Gast-)Autorin:

Melanie Berthold

  • ist Diplom-Kauffrau mit den Schwerpunkten Personal und Marketing
  • arbeitet seit vielen Jahren erfolgreich im Bereich Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting in einem deutschen Konzern
  • Ideengestalter, Speaker und Blogger  gemeinsam mit Maren Kaspers auf  team-hr.de

Lesen Sie auch den Gastbeitrag von Maren Kaspers zum Thema Videobewerbung.

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